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Bildung ist mehr als Schule!

Reduzierung der Schüler nur noch auf schulisches Lernen? Persönlichkeitsstärkung durch Klassenfahrten, die Schule alleine nicht leisten kann! Außerschulische Jugendarbeit und Klassenfahrten gerade jetzt wichtig und wertvoll!

Durch das Verbot von Klassenfahrten in Bayern bis Ende Januar 2021 ist in den letzten Tagen eine lebhafte Diskussion in Gang gekommen. Um diese aufzugreifen, aber auch einen Blick auf die zurückliegenden Lockdownwochen zu werfen, trafen sich Schüler, Eltern, Lehrkräfte und Jugendarbeiter zu einem Sommergespräch auf dem Volkersberg. 

Die aktuelle Coronapandemie hat massive Auswirkungen auf das gesamte gesellschaftliche Leben in unserem Land. So auch auf Kinder und Jugendliche und natürlich auch auf die außerschulische Jugendarbeit und deren Akteure. „Während des Lockdowns hat meinen Kindern der soziale Kontakt gefehlt. Als Eltern mussten wir sehr viel abfangen.“, berichtet Roland Heß vom Elternbeirat der Realschule Bad Brückenau. „Für meine Kinder war es schlimm, keine Freunde mehr treffen zu dürfen.“ ergänzte Valerie Diemer, Ausbildungsreferentin des Bistums Würzburg und Mutter von drei Kindern. Dass sich Kinder und Jugendliche während des Lockdowns weitgehend alleingelassen gefühlt und unter der Isolation gelitten haben, bestätigt auch die aktuelle Studie des Forschungsverbunds „Kindheit - Jugend - Familie in der Coronazeit“ der Universitäten Hildesheim, Frankfurt und Bielefeld.

Für Heß und Diemer ist es gerade jetzt wichtig, dass junge Menschen wieder die Möglichkeiten der außerschulischen Jugendarbeit nutzen können. Klassenfahrten seien ein wichtiger Bestandteil davon. Bei diesen Angeboten geht es vor allem um eine Stärkung von Sozialkompetenzen von Kindern und Jugendlichen. Im Mittelpunkt stehen die Förderung individueller Fertigkeiten zur Lebensbewältigung, zwischenmenschliche Kooperation und Kommunikation in der Gruppe. Dies bezeugt auch Stephan Heil, Erziehungsleitung im Kinder- und Jugendorf St. Anton Riedenberg: „Kinder, die vor Corona schon Angebote der Jugendarbeit wahrgenommen haben oder außerhalb des rein schulischen Lernens gefördert wurden, sind während des Lockdowns besser zurecht gekommen“.

Das bayerische Kultusministerium hat am 9.7.2020 jedoch Klassenfahrten bis Ende Januar 2021 verboten. Die Begründung dafür war nicht die aktuelle Pandemieentwicklung, sondern das Aufholen von Unterrichtsstoff. Im Schreiben des Kultusministeriums heißt es: „Der Fokus im ersten Halbjahr des neuen Schuljahres 2020/2021 soll und muss auf der Erteilung von Unterricht liegen, um Unterschiede im Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler, die sich infolge des pandemiebedingten eingeschränkten Schulbetriebs ergeben haben, bestmöglich auffangen zu können.“ Beim Sommergespräch äußersten alle Anwesenden ihre Sorge und Betroffenheit darüber, dass Schüler nun nur noch auf das schulische Lernen reduziert werden. „In der Schule wird vor allem theoretisches Fachwissen vermittelt. Jugendarbeit geht darüber hinaus. Hier lernt man Toleranz, Gemeinschaft, Konfliktfähigkeit und vieles mehr. Die Klassenfahrten braucht es gerade jetzt.“ so Edwin Eirich, der in diesem Sommer am Bad Brückenauer Gymnasium sein Abitur gemacht hat. Lisa Bühner aus Oberbach besucht das Gymnasium Bad Kissingen und ist ehrenamtliche Gruppenleiterin bei der KJG und KLJB. Sie ergänzt: „Zwischenmenschliches und soziale Kompetenzen kommen in der Schule zu kurz. Bei Jugendfreizeiten und Klassenfahrten kommen verschiedenste Jugendliche zusammen. Man knüpft Freundschaften, kommt in den Austausch und lernt die Welt kennen.“. Der Schülersprecher des Gymnasiums Bad Brückenau, Marlon Benkert, fasst die Erfahrungen junger Menschen trefflich zusammen: „Denken sie doch einmal an ihre eigene Schulzeit. An was erinnern sie sich zehn oder zwanzig Jahre später noch: an die Mathematikstunde oder an die Klassenfahrt?“.

Bereits im Jahr 2002 hat das Bundesjugendkuratorium festgestellt: Bildung ist mehr als Schule! In der damals veröffentlichten Positionierung heißt es „Bildung ist der umfassende Prozess der Entwicklung und Entfaltung derjenigen Fähigkeiten, die Menschen in die Lage versetzen, zu lernen, Lernpotentiale zu entwickeln, zu handeln, Probleme zu lösen und Beziehungen zu gestalten. Junge Menschen in diesem Sinne zu bilden, ist nicht alleine Aufgabe der Schule.“ Dass dies auch 18 Jahre später noch aktuell ist bestätigt Petra Wiesner-Molitor vom Elternbeirat des Gymnasiums Bad Brückenau: „In der Schule geht es oft darum, Wissen zu konsumieren und wiederzugeben. Das werden Eltern und Kinder im nächsten halben Jahr noch deutlich spüren. Wir müssen jetzt gemeinsam eine Veränderung anstoßen. Wir müssen schulisches Lernen mit sozialen Lernen zusammenbringen“. Margareta Weiß aus Bad Brückenau ist Realschullehrerin im Vorruhestand. Sie kam viele Jahre mit ihren Schulklassen auf den Volkersberg: „Bei Angeboten der Jugendarbeit bekommen die Schüler eine Persönlichkeitsstärkung, die Schule alleine gar nicht leisten kann. Das darf gerade jetzt nicht wegbrechen.“.

Die die Veranstalter des Sommergesprächs Sebastian Dietz vom BDKJ Diözesanverband Würzburg, Roland Pietryga von der kja Regionalstelle Bad Kissingen und Ralf Sauer von der Jugendbildungsstätte Volkersberg waren sich beim abschließenden Blick auf ihre eigene Biographie einig. Vieles was sie in ihrem Leben und ihrem Beruf brauchen, haben sie in der Jugendarbeit gelernt. „Die außerschulische Jugendbildung ist für junge Menschen sehr wertvoll. Ohne die Jugendarbeit wäre ich heute nicht derjenige, der ich bin“ berichtete Dietz. „Es braucht außerschulische Jugendarbeit auch für Schulklassen. Gerade jetzt in dieser für alle schwierigen Zeit“, so das Fazit von der Geschäftsführerin des Bezirksjugendrings Unterfranken Tina Muck.